Finanzen

Forscher sehen Deutschlands Mittelschicht schrumpfen

GDN - In Deutschland steigt nach einer neuen Studie die Ungleichheit beim Einkommen, und die Mittelschicht schrumpft. Dies geht aus einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Universität Bremen im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hervor, die der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstags-Ausgabe) vorliegt.
Darin heißt es: "Gemessen an den Reallöhnen, dem realen Haushaltsnettoeinkommen und dem Vermögen hat die Einkommensmittelschicht in Deutschland in den vergangenen Jahren zum Teil deutliche Einbußen erlitten." Außerdem stellen die Wissenschaftler fest: "Die Ungleichheit beim Einkommen als auch beim Vermögen hat weiter zugenommen." Von den zusätzlichen Wohlstandsgewinnen in den vergangenen Jahren habe nur "eine Elite in der Gesellschaft" profitiert. Laut der Untersuchung mit dem Titel "Mittelschichtsgesellschaft unter Druck?" ist die Mittelschicht in Deutschland seit 1997 kleiner geworden und hat im Jahre 2010 "ihren bisherigen Tiefpunkt" erreicht. Ihr Anteil an der Bevölkerung habe sich in diesem Zeitraum von 65 auf 58,5 Prozent oder um 5,5 Millionen auf 47,3 Millionen verringert. Außerdem diagnostizieren die Forscher eine zunehmende Spreizung der Einkommen: So haben die untersten Einkommensschichten um knapp vier Millionen Menschen zugenommen. Einen leichten Zuwachs stellen sie gleichzeitig bei den Top-Einkommensbeziehern fest. "Diese Personengruppe ist um mehr als 500.000 Menschen angewachsen", heißt es in der Untersuchung. In der neuen Analyse wird darauf hingewiesen, dass für die Einkommensschwachen, die nicht mehr zur Mittelschicht gehören, es schwieriger geworden sei, nach oben aufzusteigen. "Eine soziale Durchmischung der gesamten Gesellschaft findet immer weniger statt", merken die Autoren an und fügen hinzu: Es gebe noch Aufstiegsprozesse aus der Mitte heraus. Dabei handele es sich aber um eine "Absetzbewegung von Wenigen aus der Mitte nach Oben". Für das Schrumpfen der Mittelschicht sehen die Wissenschaftler mehrere Ursachen: Die Single- und Alleinerziehenden-Haushalte hätten zugenommen. Es seien vor allem "bildungsferne Personen" zugewandert. Der Spitzensteuersatz sei gesenkt, Wohngeld und andere Sozialleistungen aber nicht ausreichend an die Entwicklung der Inflation angepasst worden. Außerdem habe der normale sozialversicherungspflichtige Vollzeitjob an Bedeutung verloren. Die Untersuchung beruht auf einer jährlichen Befragung von etwa 20.000 Erwachsenen, bekannt als sozioökonomisches Panel. Als Einkommensmittelschicht wird dabei eine Bevölkerungsgruppe definiert, die über 70 bis 150 Prozent des Einkommens verfügen, das die Bevölkerung in zwei gleich große Hälfte teilt. Dieser Median betrug 2010 für einen Einpersonen-Haushalt 19.400 Euro. Zur Mittelschicht gehören damit Singles mit einem Monatseinkommen von 1130 bis 2420 Euro oder etwa Familien mit zwei Kindern unter 18 und einem Budget von 2370 bis 5080 Euro. Die neue Analyse bestätigt Erkenntnisse, die bereits in der ursprünglichen Fassung des vierten Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung enthalten, aber vor allem auf Druck der FDP zum Teil daraus gelöscht oder geglättet worden waren.
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